Karl Kraus - NoNameNeeded2/DHKaffee GitHub Wiki

==Steckbrief== *Geboren: 28. April 1874, Jičín (Tschechien) *Gestorben: 12. Juni 1936, Wien *(Brief)Kontakt: Peter Altenberg *Gegner: Hermann Bahr, Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal, Richard Beer-Hofmann, Felix Salten, Leopold von Andrian ==Leben== Karl Kraus wird am 28. April 1874 im böhmischen Jičín als neuntes Kind eines wohlhabenden jüdischen Papierfabrikanten Jakob Kraus und seiner Frau Ernestine geboren. Drei Jahre nach Karls Geburt, in 1877, zieht die Familie nach Wien um. Der junge Kraus genießt das Großstadtleben - er besucht oft bekannte Wiener Kaffeehäuser, spielt leidenschaftlich Theater und verfasst seine ersten Literatur- und Theaterkritiken. Nach der Matura nimmt Kraus das Jurastudium an der Universität Wien auf, nach paar Semestern wechselt er zur Germanistik und Philosophie. Auch zweites Studium schließt er jedoch nicht ab. Noch während seines Studiums publiziert er Artikel (hauptsächlich Literatur- und Theaterkritiken) für mehrere Zeitungen. In dieser Zeit nimmt er auch Kontakt mit der Gruppe Jung-Wien auf, von der er sich aber bald distanziert.

Im April 1899 erscheint die erste Ausgabe der von Kraus gegründeten satirischen Zeitschrift ''Die Fackel'', die sich in folgenden Jahren zu einer prominenten, kultur- und gesellschaftskritischen Zeitschrift entwickelt. Der große Teil der Beiträge stammt von Kraus selbst. Durch den scharfen Ton fühlen sich viele in der ''Fackel'' erwähnte Personen angegriffen, was schließlich zu mehreren Gerichtsprozessen führt. Einer der Kläger ist auch Hermann Bahr.

Regelmäßig veröffentlicht Kraus in der ''Fackel'' seine Aphorismen, Satiren und Polemiken, mit denen er die Verlogenheit der Gesellschaft in allen Bereichen kritisiert.

Im Jahr 1915, mitten im ersten Weltkrieg, beginnt Kraus, an dem Theaterstück ''Die letzten Tage der Menschheit'' zu arbeiten. Mehr als 200 nur lose zusammenhängende Szenen, aus denen das Stück besteht, erscheinen in Nummern der Kriegs-''Fackel''. Kraus wirdmit ''Die letzten Tage der Menschheit'' zum Vorläufer des modernen Dokumentartheaters, denn mehr als ein Drittel des Stückes besteht aus montierten Zitaten, die Kraus aus Zeitungen, militärischen Tagesbefehlen, Briefen, Postkarten, Photos und Plakaten u.a. übernimmt.

In der Zwischenkriegszeit warnt Kraus vor der drohenden Entmenschlichung durch den aufziehenden Nationalsozialismus. Nach der Machtergreifung Hitlers beginnt er die Arbeit an der monumentalen Schrift ''Die dritte Walpurgisnach'', mit der er den Aufstieg des Nationalsozialismus zu analysieren versucht. Das Werk wird allerdings erst postum veröffentlicht.

Am 10. Juni 1936 erleidet Kraus im ''Café Imperial'' einen schweren Herzinfarkt, auf dessen Folgen er am 12. Juni in seiner Wohnung stirbt.

==Verhältnis zu Jung-Wien== Noch als Student lernt Karl Kraus die Gruppe Jung-Wien kennen und gehört ihr kurze Zeit an. Bald verändert er seine Position und wird zu einem der schärfsten Kritikern von Jung-Wien. Kraus' Kritik unterscheidet sich allerdings von den üblichen, zeitgenössischen Meinungen. Er wirft der Gruppe nicht die Neigung zu "pornographischen Themen" vor, wie es andere Kritiker tun, sondern kritisiert den überstilisierten Ästhetizismus der Jung-Wiener. ===Die demolirte Literatur=== 1897 erscheint Kraus' Satire auf Wiener Literatenwelt mit dem Titel ''Die demolirte Literatur''. Auf dem Umschlag wird eine Karikatur von Hermnann Bahr abgebildet. Der Inhalt der Satire erschien zum ersten Mal in 1896 in milderer und verkürzter Form in der Zeitschrift ''Wiener Rundschau''. Bereits damals erregte ''Die demolirte Literatur'' großes Aufsehen. ====Café Griensteidl==== Zur Zeit des Erscheinens verbreiten sich Gerüchte, dass das alte ehrwürdige Café Griensteidl, das seit mehr als 50 Jahren als das bedeutendste Wiener Literaturcafe galt, abgerissen werden soll, um modernen Bürobauten Platz zu machen. Dies würde, so Kraus, die Existenz der Autoren, die im Café Café Griensteidl regelmäßig ihren Alltag verbrachten, bedrohen:

:''„Unsere Literatur sieht einer Periode der Obdachlosigkeit entgegen, der Faden der dichterischen Produktion wird grausam abgeschnitten.Zu Hause mögen sich Literaten auch fernerhin froher Geselligkeit hingeben; das Berufsleben, die Arbeit mit ihren vielfachen Nervositäten und Aufregungen spielte sich in jenem Kaffeehaus ab, welches wie kein zweites geeignet schien, das literarische Verkehrscentrum zu repräsentieren.“''

:''„Über den vielen Kaffeehaussitzungen, die zum Zweck einer endgültigen Formulirung des Begriffes »Künstlermensch« abgehalten wurden, sind so manche dieser Schriftsteller nicht zur Production gekommen. Bevor man sich nicht über eine Definition geeinigt hatte, wollte sich keiner an die Arbeit trauen, und manche hatten sich längst als Stammgäste einen Namen gemacht, bevor sie dazu kamen, sich ihn durch ihre Werke zu verscherzen. Griensteidl ist nun einmal der Sammelpunkt von Leuten, die ihre Fähigkeiten zersplittern wollen, und man darf sich über diese Unfruchtbarkeit von Talenten nicht wundern, welche so dicht an einem Kaffeehaustisch beisammen sitzen, dass sie einander gegenseitig an der Entfaltung hindern. Prätention scheint ja in Fülle vorhanden zu sein, überall, an allen Ecken und Enden, keimt eine junge Manierirtheit, wie sie bis nun keine zweite Literaturbewegung hervorgebracht hat (...)“''

====Hermann Bahr==== :''„Die ganze Literaturbewegung einzuleiten, die zahlreichen schwierigen Ueberwindungen vorzunehmen, nicht zuletzt, dem Kaffeehausleben den Stempel einer Persönlichkeit aufzudrücken, war ein Herr aus Linz berufen worden, dem es in der That bald gelang, einen entscheidenden Einfluss auf die Jugend zu gewinnen und eine dichte Schaar von Anhängern um sich zu versammeln.“''

:''„Alsbald verbot der verwegene Sucher neuer Sensationen aus Linz seinen Jüngern, von dem „Kaiserfleisch des Naturalismus“ zu essen, empfahl ihnen dafür die „gebackenen Ducaten des Symbolismus“ und wusste sich durch derlei zweckmässige Einführungen in seiner Position als erster Stammgast zu behaupten.“''

:''„Damals, als er noch nicht die abgeklärte Ruhe des weimarischen Goethe besass, war es für die Anfänger noch schwer, ihm durch das Gestrüpp seines seltsam verschnörkelten und kunstvoll verzweigten Undeutsch zu folgen.“''

====Hugo von Hofmannsthal==== :''„Die Thatsache, dass Einer noch ins Gymnasium ging, begeisterte [283] den Entdecker zu dem Ausrufe: „Goethe auf der Schulbank!“ Man beeilte sich, den Jüngling für das Kaffeehaus zu gewinnen, und seine Eltern selbst führten ihn ein: sollte doch gezeigt werden, dass er vom Vater die Statur, des Lebens ernstes Führen, vom Mütterchen die Frohnatur, die Lust zum Fabuliren habe. Seine Bewegungen nahmen bald den Charakter des Ewigen, seine Correspondenzen den des „Briefwechsels“ an. Er ging daran, ein Fragment zu schreiben, und war es seiner Abgeklärtheit schuldig, seine Manuscripte für den Nachlass vorzubereiten. In hoheitsvollen Versen liess er noch den Erben an Adler, Lamm und Pfau das Salböl aus den Händen der todten alten Frau verschwenden – dann studirte er sich seine ‚Letzten Worte‘ ein.“'' ====Arthur Schnitzler==== :''„Der am tiefsten in diese Seichtigkeit taucht und am vollsten in dieser Leere aufgeht, der Dichter, der das Vorstadtmädel burgtheaterfähig machte, hat sich in überlauter Umgebung eine ruhige Bescheidenheit des Grössenwahnes zu bewahren gewusst. Zu gutmüthig, um einem Problem nahetreten zu können, hat er sich ein- für allemal eine kleine Welt von Lebemännern und Grisetten zurechtgezimmert, um nur zuweilen aus diesen Niederungen zu falscher Tragik emporzusteigen. Wenn dann so etwas wie Tod vorkommt, – bitte nicht zu erschrecken, die Pistolen sind mit Temperamentlosigkeit geladen: ‚Sterben‘ ist nichts, aber leben und nicht sehen....!“'' ====Richard Beer-Hofmann==== :''„In seinem Kreise hat er einen sehr heiklen Dienst zu versehen. Seine Aufgabe ist es, den Toilettezustand jedes ankommenden Literaten zu visitiren und allfällige Correcturen vorzunehmen. Das gelingt unserem Dichter oft mit ein paar charakteristischen Strichen. Hier ist er gerade damit beschäftigt, selbst die letzte Hand anzulegen, dort ertheilt er zweckmässige Weisungen, gibt einschlägige Winke und praktische Rathschläge: hier ergänzt er die fragmentarische Schönheit einer Bicycledress, dort spricht er durch einen vorwurfsvollen Blick die Unmöglichkeit eines ganzen Hosenstoffes aus. Sein prägnanter Tadel: ‚Das wird sich nicht halten‘ oder: ‚Das trägt man nicht mehr‘ oder: ‚Mit Ihnen kann man nicht gehen‘; sein bündiges Lob: ‚Das kann so bleiben‘. Und man mag sich diese Kritik ruhig gefallen lassen, da unser Dichter selbst der Natur gegenüber mit ähnlichen Bemerkungen nicht zurückhaltend ist, indem er sich beim Anblick einer Landschaft schon wiederholt geäussert haben soll: ‚Das müsste etwas stylisirt werden!‘ und nur selten das Lob spendet: ‚Das kann so bleiben‘.“'' ====Felix Salten==== :''„Da fällt zunächst ein Schriftsteller auf, der sich aus schüchternen Anfängen zum Freunde des Burgtheater-Autors emporgerungen, ein Parvenu der Gesten, der seinen literarischen Tischgenossen Alles abgeguckt hat und ihnen die Kenntnis der wichtigsten Posen verdankt. Haben es die Anderen in der Unnatürlichkeit bereits zu einiger Routine gebracht, ihm sieht man stets noch die Mühe an, die ihn seine Nervosität kostet. Immerhin hat er sich heute doch schon glücklich drei Nerven zusammengescharrt, die ihm die Ausübung einer bescheidenen Sensitivität erlauben.“''

:''„Nach den Stoffen hatte er nie weit zu gehen. Er schrieb immer das, woran seine Freunde gerade arbeiteten, und da die Jung-Wiener Schule einstimmig das Thema vom Sterben gewählt hat und mit vereinten Kräften dem Tode ein paar Novellen abzuringen bemüht ist, sehen wir ihn mit der Anempfindung einiger Sentimentalitäten über Begräbnisse, Friedhofskränze und Hinterbliebene eifrig beschäftigt.“''

:''„Als Ironiker stand er allzeit auf eigenen Gänsefüsschen, und wenn es die Geisselung des bekannten Wiener Komödiantencultus galt, drohten in der Druckerei die Anführungszeichen auszugehen; denn immer neue uninteressante Seiten wusste er diesem Thema abzugewinnen. Einige Fremdwörter kamen ihm so neu vor, dass er es mit ihnen immer wieder versuchen zu müssen glaubte; so behauptete er stets, dass Herr Reimers ad spectatores spreche und dass das Fräulein Bleibtreu karyatidenhaft sei. Vielleicht war hier die Freude, Ausdrücke, die man sonst erst im Obergymnasium kennen lernt, schon nach vier Classen zu beherrschen, doch etwas zu stark betont.“''