Strategien zur Beeinflussung der Muskelspannung - stefaneidelloth/matameko GitHub Wiki
Nach dem Modell der gekoppelten Regelkreise sind viele Strategien zur Beeinflussung der Muskelspannung dankbar. Dabei ist zu beachten, dass einige Effekte
a) nur von kurzer Dauer sind und
b) von "übergeordneten Ebenen" des Nervensystems überschrieben werden können
Während ein Muskel angespannt ist, sorgt der Mechanismus der Reziproken Hemmung tendenziell dafür, dass der Gegenmuskel gehemmt wird. Wenn man aufhört, den Muskel anzuspannen, lässt auch der Effekt der Reziproken Hemmung wieder nach (insofern er überhaupt zum Tragen gekommen ist).
Ich würde daher erwarten, dass eine Anleitung wie "Muskel anspannen, 5 s Pause machen, dann den Effekt der Reziproken Hemmung nutzen" nicht funktionieren würde. Es kann zwar sein, dass der Bewegungsablauf den gewünschten Effekt hat, aber eben nicht aufgrund der vorherigen Reziproken Hemmung.
Hier entsteht eine Liste mit möglichen Strategien, um auf die Spannung eines bestimmten Muskels (Agonist) Einfluss zu nehmen:
1. Beeinflussung der motorischen Steuersignale, die von den α-Neuronen im Rückenmark an die Muskelfasern des Agonisten gesendet werden, um diese kontrahieren zu lassen.
2. Beeinflussung der Rückmeldung der Muskelspindeln des Agonisten zum α-Neuron des Agonisten. Übers α-Neuron erfolgt dann 1 (Dehnungsreflex). Dabei wäre z. B. denkbar:
2a) Manuelle Dehnung von Muskelspindel, die zu wenig/keine Signale sendet: dadurch vermehrte Ausgangssignale
2b) Manuelle Dehnung von "verkrampfter Muskelspindel", die zu viele Signale sendet: dudurch "Durchbrechen des Krampfes" der äußeren Bereiche und Synchronisation mit dem Sollwert. Die Muskelspindel gelangt wieder in ihren Messbereich und nimmt den gewünschten Betrieb zur Regulation der Spannung wieder auf.
3. Beeinflussung der Rückmeldung der Muskelspindeln des Antagonisten zum α-Neuron des Agonisten (Reziproke Hemmung). Übers α-Neuron erfolgt dann 1.
4. Beeinflussung des Sollwerts, der von γ-Neuronen im Rückenmark zu den Muskelspindeln des Agonisten übertragen wird. Über den Einfluss auf die Ausgangssignale der Muskelspindel erfolgt dann 2. Dabei wären z. B. denkbar:
4a) Schöne Entspannungsmusik abspielen. Dadurch allgemeine Entspannung und Einflussnahmen auf den Sollwert über vegetatives Nervensystem.
4b) Verbesserte Durchblutung durch Massage. Dadurch Senken der Schwelle für Schmerzsignale. Dadurch wiederum weniger weitergeleitete Schmerzsignale, die bei der Ermittlung des Sollwertes Berücksichtigung finden.
5. Beeinflussung der Rückmeldung der Golgi-Sehnenorgane des Agonisten zum α-Neuron des Agonisten (Autogene Hemmung). Übers α-Neuron erfolgt dann 1. Dabei wären z. B. denkbar:
5a) Starke und schnelle Belastung des Muskelansatzes durch aktive Kontraktion oder passive Dehnung. Dadurch Erregung der Golgi-Sehnenorgane
5b) Manuelle Einwirkung auf (vorbelastete) Golgi-Sehnenorgane, z. B. durch Klopfen oder Querfriktion. Dadurch Erregung der Golgi-Sehnenorgane
6. Beeinflussung der Rückmeldung der Golgi-Sehnenorgane des Antagonisten zum α-Neuron des Agonisten (Reziproke Verstärkung)). Übers α-Neuron erfolgt dann 1.
7. Beeinflussung der Rekurrenten Hemmung des α-Neurons über Renshaw-Zellen des Agonisten durch übergeordnete Anteile des Nervensystems. Übers α-Neuron erfolgt dann 1. Dazu wäre z. B. denkbar, das vegegative Nervensstem zu beeinflussen und somit indirekt Einfluss auf die Rekurrente Hemmung zu nehmen.
8. Beeinflussung der α-γ-Coaktivierung durch Fremdreflexe. Darüber 2. und 1.
8a) Reiz auf gleicher Körperseite
8b) Reiz auf gegenüberliegender Körperseite
9. Beeinflussung der α-γ-Coaktivierung durch willkürliche Bewegungen. Darüber 2. und 1.
10. Nutzung von zeitlich länger andauernden Effekten wie der Sukzessiven Induktion: Nach starker Erregung des Agonisten ist die Aktivierung des Antagonisten für längere Zeit (?) gebahnt. Eine verstärkte Kontraktion des Antagonisten kann dann ggf. bei einer Dehnung des Agonisten unterstützen.