Große Regelkreise - stefaneidelloth/matameko GitHub Wiki
Wie schon unter Kleine Regelkreise beschrieben, stellen die γ-Neurone den Sollwert für die Muskelspindeln ein. Das Eingangssignal für die γ-Neurone ist im Rückenmark vielfältig verschaltet, sowohl mit den Signalen innerhalb eines Rückenmark-Segments als auch mit Signalen des Nervensystems auf "höheren Ebenen" und dem Gehirn.
Schema nach Hoffa, Gocht, Storck, Lüdke: "Technik der Massage" (etwas abgewandelt):
Oft möchten wir bei der Körperarbeit den Tonus von verspannter Muskulatur senken. Leider können wir das Eingangssignal der γ-Neuronen nicht auf Knopfdruck verstellen. Um das Eingangssignal der γ-Neuronen zu beeinflussen, bleibt uns der Umweg über das vegetative Nervensystem. Alles was allgemein beruhigend und entspannend wirkt, senkt auch den Sollwert der Muskelspindeln. Umgekehrt wird der Sollwert für die Muskelspannung z. B. angehoben durch
- Abkühlung
- Schmerz- und Berührungsreize
- optische und akustische Reize
- emotionale Erregungen
Nach Hoffa, Gocht, Storck, Lüdke, "Technik der Masssage", ist die Hauptaufgabe der Muskelspindeln vegetativer Natur. Die Muskelspindeln sind nötig, um die Ruhespannung der Muskulatur Inwelt- und Umwelteinflüssen entsprechend einzustellen.
Bei Reizung der Haut kann über den sogenannten Hautreflex die Muskulatur beeinflusst werden. Da der Reiz von der Haut ausgeht und auf den Muskel wirkt, wird der Hautreflex zu den Fremdreflexen gezählt. Die Neuronen können durch die Sensoren in der Haut manchmal so stark erregt werden, dass eine sichtbare Muskelkontraktion erfolgt. Siehe auch folgendes Video, das einen Fremdreflex bei einem Hund zeigt:
Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Scratch_reflex
Beim Eigenreflex/Dehungsreflex werden die Neuronen gegensinnig angesteuert: das α-Neuron wird aktiviert und das γ-Neuron gehemmt.
Beim Fremdreflex werden α- und γ-Neurone dagegen gleichsinnig angesteuert. Normalerweise sprechen die γ-Neurone zuerst an, da sie eine geringere Reizschwelle haben. Das hebt über den Eigenreflex die Aktivität der α-Neurone an, die dann etwas später auch ansprechen. Die γ-Neurone stellen sozusagen eine Starterfunktion für die α-Neurone dar.
Wenn während einer Massage der Hautreiz den "eng begrenzten Einzugsbereich eines Fremreflexes" verlässt, sinkt die Aktivität der zugehörigen γ-Neurone. Schließlich nimmt auch die Aktivität der zugehörigen α-Neurone und die Kontraktion der Muskelfasern ab. (Bei einseitigem Reiz auf der anderen Körperseite umgekehrt).
Fremdreflexe bahnen meistens die Beugung, während die Streckung gehemmt wird. Die Wirkung auf Agonisten und Antagonisten ist also unterschiedlich.
Bei Hautreizung auf nur einer Körperseite werden auf der anderen Körperseite umgekehrte Verhältnisse angetroffen. Wenn die Kontraktion des linken Bizeps gebahnt und des linken Trizeps gehemmt wird, wird die Kontraktion des rechten Bizeps gehemmt und des rechten Trizeps gebahnt.
Beim Fremdreflex ist die Reflexzeit länger als beim Eigenreflex, da eine Reihe von Schaltstationen durchlaufen werden muss.
Diese Effekte sind am besten bei Säuglingen zu beobachten, weil bei ihnen das Reflexverhalten noch die Großhirnkontrolle überwiegt.
Merke: Wenn bei einer Massage der Angriffsort ständig verlagert wird, kann sowohl über Fremd- als über Eigenreflexe eine bessere Muskelfunktion erreicht werden, da der Fremdreflex den Eigenreflex mit aktiviert.
Quellen:
- Hoffa, Gocht, Storck, Lüdke: "Technik der Massage"
- Muschinsky: "Massagelehre in Theorie und Praxis"
Fremdreflexe können sowohl von Sensoren ausgelöst werden, die mechanische Reize erfassen, als auch von anderen Sensoren, z. B. Schmerzsensoren.
Wenn du aus Versehen auf eine heiße Ofenplatte fasst oder auf einen spitzen Gegenstand trittst, gibt es einen interessanten Schutzreflex. Du ziehst automatisch die Hand oder den Fuß zurück. Nachträglich realisiert du das Geschehen und fragst dich "Hab ich mir verletzt?". Das Körperteil wird schnell vom gefährlichen Reiz entfernt. Wenn der Schmerz erst zum Gehirn übertragen werden müsste, dort wahrgenommen wird und schließlich nach einer Entscheidung Gegenmaßnahmen eingeleitet werden ... wäre vielleicht schon alles zu spät.
Die Reflexe des Rückenmarks wirken nicht nur auf die Muskeln eines einzelnen Gelenkes sondern können Bewegungsabläufe abspulen, die mehrere Muskelgruppen und Gelenke beeinflussen.
Der Schutzreflex wird auch Flexor Reflex oder Withdrawal Reflex genannt.
Um z. B. den rechten Fuß weg zu ziehen, werden das rechte Knie und die Hüfte gebeugt. Damit die Beugemuskulatur leichter arbeiten kann wird gleichzeitig die Streckmuskulatur gehemmt. Beim Schutzreflex gibt es also auch Reziproke Hemmung
Das reicht noch nicht aus, da das Gewicht nur noch von einem Bein getragen wird. Damit wir nicht umfallen muss auch das linke Bein angesteuert werden (= "reziproke antagonistische Hemmung", "afferente kollaterale Hemmung", "crossed extensor reflex", "cross-body motor reflex").
Ein weiterer interessanter Schutzreflex ist der Moro-Reflex bei Säuglingen.
Siehe auch
- http://humanphysiology.academy/Neurosciences%202015/Chapter%202/P.2.2p%20Spinal%20Reflex%20Pathways.html
- https://www.dragonsociety.com/the-crossed-extensor-reflex/