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Sehr geehrte Frau Bundesministerin Leonore Gewessler, BA,
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Mag. Christopher Drexler,
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Elke Kahr,
"Müll sind Rohstoffe am falschen Ort"
(Roland Pomberger, Leiter des Institutes für Abfallwirtschaft und Abfallverwertungstechnik, Montanuniversität Leoben)
Die Verantwortlichen in der Stadt Graz planen bei einem Restmüllaufkommen von jährlich 57.000 Tonnen für Graz und Graz Umgebung eine Anlage zur Müllverbrennung für 110.000 Jahrestonnen zu errichten und diesen Müll im ohnehin belasteten Stadtgebiet von Graz zu verbrennen. Die dabei entstehenden klima- und gesundheitsschädlichen Emissionen atmen wir alle ein, die in dieser Stadt wohnen. 220 Millionen Euro soll das der Grazer Bevölkerung an Investitionen kosten, die die Holding Graz schon jetzt von Ihren Fernwärmekunde:innen durch erhöhte Energiepreis einkassiert.
Bei dieser Verbrennung entstehen 20.000 Tonnen unverwertbarer Asche und Schlacke pro Jahr und rund 6000m3 Luftschadstoffe pro verbrannter Tonne Restmüll. Die zur kostendeckenden Betreibung der Anlage notwendigen und fehlenden 53.000 Tonnen sollen aus Italien kommen. Frau Bundesminsterin Leonore Gewessler, Herr Landeshauptmann Christopher Drexler und Frau Bürgermeisterin Elke Kahr wir appellieren an Sie, stoppen Sie diesen Wahnsinn! Hören Sie bitte auf Expert:innen aus unseren international anerkannten Hochschulen! Zukunftsweisende Wege der Müllverwertung (und nicht -entsorgung) existieren längst. Dabei können rund 90% der Rohstoffe im anfallenden Müll einer Wiederverwertung zugeführt werden: (1) Verdichtete intelligente Müllsammlung, (2) Betrieb einer lärmgeschützten Müll-Splittinganlage zur Restmüllgewichtsverringerung um 35%, (3) Mehrfach-Absiebung (bis auf eine Korngröße von 2,5 mm) mit Verwertung der verbleibenden Reststoffe und (4) Trockenvergärung des Restes mit Nutzung der Kreislaufenergie.
Fertige, industrielle und arbeitsplatzschaffende Gesamtlösungen für einen solchen Verwertungskreislauf existierten längst und wurden auch auf der IFAT, der Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft erst Anfang Mai in München präsentiert. Weitere Informationen zum Thema finden sich unter https://tinyurl.com/cruft25
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Sehr geehrter Herr DI Dr. Werner Prutsch,
(erging in CC auch an Miriam Herlicska, Andreas Kinsky, Werner Murgg, Lambert Schönleitner)
erlauben Sie mir ein paar Bemerkungen zur heutigen Diskussionsveranstaltung im Volkshaus: (a) Elaborierte Diskussionskultur war das keine, was Sie da an den Tag gelegt haben. Es zeigt mir eher, auf welch dünnem Eis Ihrer Argumentation zur Müllverbrennung steht. Und (b) Sie nehmen offensichtlich selbst nicht ernst, was Sie sagen: Es ist 5 nach 12 sagen Sie, und dann sind Sie offensichtlich dafür mitverantwortlich, dass die Stadt Graz anstatt eines Systems zur Müllverwertung am Beginn des 21. Jahrhunderts ein CO2-emittierendes System zur Müllentsorgung einführt. Das, wenn es vor 40 Jahren installiert worden wäre, modern gewesen wäre. Karl Steininger sagt dazu, "wenn Müllverbrennung dann nur mit CO2-Abscheidung" - dann ist die Müllverbrennung nicht mehr gewinnbringend. bzw. kostendeckend, wie wir beide wissen - und Roland Plomberger, "Müll sind Rohstoffe am falschen Ort".
Und Sie bzw. die Stadt Graz tun das, obwohl Sie Walter Felber, seinen Ansatz und seine Arbeit kennen. Und es mittlerweile fertige industrielle Lösungen für solche Müllkreisläufe gibt. Wie ein Besuch auf der IFAT in München vor Kurzem deutlich gemacht hat. Kreisläufe die über 90% Prozent des Restmülls einer Wiederverwertung zuführen könnten. Das ist einfach unverantwortlich und offenbar nur irgendwelchen Kapitalinteressen geschuldet. Was ich dabei nicht verstehe, dass dabei sogar eine grüne VZ Bürgermeisterin mitspielt. Einfach unverständlich.
Woher kommen eigentlich die auf den Betrag von 110.000 jato fehlenden 53.000 jato Restmüll, die Sie verbrennen wollen? Nachdem der Restmüll von Graz und Graz Umgebung sich derzeit auf 57.000 jato beläuft. Was wird verheizt werden, wenn die EU-Einweggebinde-Regelung kommt, und im Restmüll kein Plastik mehr vorhanden ist? Und damit der Brennwert des Restmülls unter ein wirtschaftlich sinnvolles Maß fällt. Was an CO2-Ausstoß verursacht die Verbrennung? Ich würde vermuten, dass die CO2-Bilanz einer solchen Lösung im Verhältnis zum Status Quo negativ ist. Wo hin werden die stofflich unverwertbare Aschen und MVA-Schlacken (rund 30.000 jato) verbracht, die die Verbrennung jährlich erzeugt? Auch der Nachweis, dass dabei keine gesundheitsschädlichen Emissionen erzeugt werden, der muss erst erbracht werden. Eine Reihe von Fragen auf die ich noch von niemandem eine kompetente Antwort gehört habe. Vielleicht können ja SIe mir diese Fragen beantworten? Ich wäre Ihnen sehr verbunden.
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Liebe Leonore Gewessler,
ich darf mich zu zunächst für das konstruktive Gespräch beim Climate Festival bei Ihnen bedanken ...
Wie ich festgestellt habe, sehen Sie das Restmüllproblem ganz ähnlich wie wir. Der einzige Unterschied besteht vielleicht darin, dass unsere Expert:innen Wege kennen, die es möglich machen fast 100% der Restmülls einer Wiederverwertung zuzuführen (siehe https://tinyurl.com/cruft25). Für diese Wege gibt es auch schon industriell und kommerziell verfügbare Müllkreisläufe, die teilweise auch in Österreich schon angeboten werden und zum Einsatz kommen (z.B. Pöttinger Entsorgungstechnik, Grieskirchen u.a.). Restmüllverbrennung zu Fernwärmezwecken ist schon deswegen auch völlig uninteressant, weil, wenn endlich die EU Einweggebindeverordnung kommt und das Plastik aus dem Restmüll verschwindet, dieser gar keinen entsprechenden Heizwert mehr hat, der eine Verwendung des Restmülls für Heizungszwecke auch nur irgendwie sinnvoll erscheinen lassen würde. Und dann wird ein um 250 Mill. Euro gebautes „Energiewerk“ – das bisher teuerste Projekt der neuen Grazer Stadtregierung - zur völlig unnötigen Industrieruine.
Wie ich in unserem Gespräch angemerkt habe, gibt es solche fast CO2-freien Alternativen auch für den Klärschlamm (siehe dazu auch Karin Heinrich & Steffen Heinrich: Vom Abfall zum Gartengold. Klärschlammveredelung mit Pyrolyse. Mironde Verlag 2022). Gegenüber einer Verbrennung mit viel Asche und möglicherweise auch Schlackenresten erfolgt der pyrolytische Vorgang unter weitgehendem Sauerstoffausschluß. Dabei wird durch Umluft das Material zuerst stufenweise entwässert, dann getrocknet und und einer niederschwelligen Pyrolyse unterworfen, die sogar eine Zerstörung von Mikroplastik garantiert.
Im Attachment dieser Mail befindet sich auch eine Kurzzusammenfassung einer Studie des Bundes Naturschutz Bayern, die den CO2-Ausstoss pro Kilogramm gewonnenem Phosphor bei Monoverbrennung (in Gössendorf bei Graz geplant), Pyrolyse und anderen Gewinnungsverfahren vergleicht. Die Unterschiede sind - wie sich zeigt - eklatant. Noch nicht enthalten ist dabei die oben angesprochene niederschwellige Pyrolyse, die noch bessere CO2-Ergebnisse bringt.
Insgesamt eröffnen diese alternativen Wege im Umgang mit unseren Abfällen Möglichkeiten, um die man u.E. heute bei neuen Lösungen nicht mehr herumkommt. Ich kann nur abschließend nochmals das Angebot machen, dass unsere Expert:innen gerne bereit sind, ihr Wissen zur Verfügung zu stellen, wenn es dafür Bedarf und daran Interesse gibt.
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Sehr geehrter Herr Mag. Herzog,
herzlichen Dank für Ihre Antwort … Ich kann Ihre Argumentation zum geplanten Energiewerk allerdings leider nicht unwidersprochen lassen.
Hätte man diesen Plan vor vierzig Jahren gehabt, er wäre innovativ gewesen. Heute droht dieser Plan, die größte Ausgabe der neuen Stadtregierung bis jetzt zu deren größtem Flop zu werden. Nicht nur wird mit dem Greifen der EU-Einweggebindeverordnung, wenn das Plastik aus dem Restmüll verschwunden ist, dieser Restmüll überhaupt keinen keinen entsprechenden Heizwert mehr für eine Fernwärmeversorgung der Grazer Haushalte haben. Erfahrungen aus Wien rezipierend könnte man wissen, dass dort in Zeiten wo das Plastik nicht mitverbrannt wurde, Schweröl zugeschossen werden musste, um überhaupt einen entsprechenden Heizwert zu erreichen.
Auch steht das Argument der CO2-Einsparungen auf mehr als tönernen Füssen. Der Verbrennungsvorgang emittiert nämlich mehr CO2 als die Einsparung durch irgendwelche Lastwagentransport ergeben würden. Karl Steininger der Leiter des Wegener Center for Climate and Global Change an der Universität Graz, hat gemeint, dass man Müllverbrennung nur mit CO2-Abscheidung machen dürfte. Und einschlägige Experten sagen, dass dann Müllverbrennung nicht mehr kostendeckend zu machen ist.
„Energiewerk“ ist also u.E. ein Etikettenschwindel. Graz ist Luftsanierungsgebiet! Und wollen Sie wirklich in einem Luftsanierungsgebiet eine Müllverbrennunganlage betreiben, die zu Hauf CO2, Furane und auch andere, vielleicht sogar unbekannte Giftstoffe emittiert? Und bedenken Sie auch die hohen Investitionskosten, das Energiewerk wird innerhalb kürzester Zeit eine sündteuere Industrieruine werden. Ist der Bau des Energiewerks vielleicht nur dem Umstand geschuldet, dass die Einnahmen der Holding aus der Müllverbrennung fixer Bestandteil der Budgets der Stadt sind, und mit diesen Einnahmen andere Projekte der Stadt finanziert werden müssen?
Wir sondieren bereits eine Verbandsklage, die wir sobald das entsprechende Gesetz vorliegt, einbringen möchten. Ein Auszug aus einem Gutachten eines Umweltmediziners im Rahmen der UVP liegt uns bereits vor. Er lässt bei uns alle Alarmglocken schrillen. Er bescheinigt dem Energiewerk sogar gesundheitsfördernde Wirkung. Glauben Sie wirklich, dass sie das in einer öffentlichen Diskussion argumentieren können?
Wir ersuchen nochmals alle politisch Verantwortlichen hier in einen Nachdenkprozess zu gehen und das Expert:innenwissen von einschlägigen Universitätsinstituten in die Planung der Energieversorgung von Graz miteinzubeziehen. Bitte nehmen Sie Abstand von dieser energiepolitischen Eulenspiegelei. Nachfolgenden Generationen werden es ihnen danken. Sie sind vielleicht auch Väter oder Mütter, es geht auch um ihre Kinder und Enkelkinder. Es ist 5 nach 12 in Bezug auf den Klimaschutz. „Deutschfeistritz“ ist nicht mehr alle 100 Jahre, sondern unter Umständen mehrmals pro Jahr. Und auch die Elektromobilität wird uns nicht retten. Gestern erreichte mich ein Werbeprospekt von Ford. Der neue Ford Explorer mit 600 km Reichweite, und 320(!) PS. So macht uns die Wirtschaft Elektromobilität schmackhaft. Aber brauchen wir 320 PS starke Fortbewegungsmittel? Was benötigt ein solches Auto an Energie und woher kommt sie? Ohne Umdenken, wird die Menschheit bald eine kurze Episode in der Geschichte dieses Planeten gewesen sein. Es sprechen schon viele Expert:innen vom Erreichen des Kipppunktes (einer von vielenThomas Metzinger: Bewusstseinskultur. Berlin Verlag 2023). Wir haben ihn wahrscheinlich schon überschritten.
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Sehr geehrter Herr Mag. Herzog,
gestatten Sie mir, dass ich noch mit einem etwas technischer angelegten Schreiben nachlege. Erscheint mir doch, das Ihre Argumente einen ziemlich veralteten Charakter haben und keineswegs den aktuellen Stand der Technik widerspiegeln. So müssten Sie eigentlich noch wissen, dass im Auftrag der Stadt Graz eine Splitting Anlage bereits 2004-2006 - nicht nur für Gewerbemüll - in Betrieb stand, die schon damals 35% Gewichtsreduktion schaffte. Splitting-Anlagen sind der erste Clearance-Schritt bei der Reduktion von Restabfall nach dem Vibration Screener mit 80 mm Lochgröße QL.
Und vor allem, wie erklären Sie sich denn jetzt eine Verwertungsquote von 88% des Grazer Restmülls (Sattler/Trampusch, Bericht an den Grazer Gemeinderat mit Stand Ende 2016). Was bleibt dann noch zum Verbrennen, wenn auch das Plastik wegfällt? Wie wollen Sie dann eine 110.000 Jato Anlage ohne Fremdmüll auslasten?
Bedauerlicherweise hat sich der Dienstleister Saubermacher von der Feststellung "Verladelärm" dazu verleiten lassen, die Anlage auf Kunststoff–Separierung sofort umzustellen. Und im Wiener Stadtraum auf eine neue Splitting-Anlage gesetzt, auf der er außerdem nach 2010 zwei Verbesserungen vorgenommen hat.
Außerdem muss ich annehmen, dass Sie Herr Mag. Herzog auch wissen, daß zu hohe Heiz- bzw. Brennwerte in einer Müllverbrennungsanlage zu einem hohen Materialverschleiß führen. Kurz: Man kann bei einer Rostfeuerungsanlage, wie sie geplant ist, nicht beliebig den Heizwert des Eintragsmaterials durch Erhöhung des PE/PP-Anteils erhöhen, sonst verbiegen sich die Metallteile des Rosts. Bratislava hätte diesbezüglich sofort Probleme bei den Metallteilen im vorderen Teil der Rostfeuerung bekommen. Dieser Parameter war vom Dienstleister zu beachten, er kann sich einen derartigen Fehler nicht leisten, der sicherlich mit Haftung verbunden und Pönale beaufschlagt gewesen wäre. Bei kalten Verfahren ( z.B. mechanische Behandlung ) tritt hingegen das Problem praktisch nicht auf.
In der Zwischenzeit sind aber auch noch weitere wichtige Innovationen eingetreten. Nämlich der Einsatzes der Mehrfachsiebung (bis kleiner 3mm!) und die Trockenvergärung. Diese ist zwar nicht ausgesprochen brandneu - die ersten Anlagen reichen schon in die Neunzigerjahre zurück (Thome Kozmiensky 1994), aber an den typischen „Kinderkrankheiten" des Anlagenbaus litten, wie wir aud den Diskussionen - auch mit heiterer Note - erfuhren. Aber schon im Frühjahr 2024 waren fünf Anbieter, darunter drei aus Österreich(!) mit zur Stelle (siehe IFAT in München!) Warum negieren Sie all diese aktuellen Entwicklungen bei der Planung der Müllverwertung der Stadt Graz. Ihr Fachwissen ist doch sicher aktuell. Welche unausgesprochenen Interessen stehen hinter diesen Wahnsinn? Auch bei einem Gespräch in der Holding hat der dort anwesende Experte doch glatt behauptet, Glas hätte einen Brennwert. Solche Behauptungen von einem einschlägigen Experten kann man doch nicht ernst nehmen. Das ist jedem Menschen mit Hausverstand klar. Da kann es nur strategisch zugehen, aber leider nicht strategisch im Sinne der Umwelt und im Sinne der Gesundheit der Bürger:innen von Graz.
Sollten Sie Interesse an Informationen und Wissen rund um den Themenkreis haben, wir sitzen nicht auf unserem Wissen. Unsere Experten sind gerne bereit, mit Ihnen Gespräche zu führen.
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