Rechtsprechung zu Open Source Software Lizenzen - UOS-Open-Source-Softwareentwicklung/oss1314 GitHub Wiki

#Rechtsprechung zu Open-Source-Software Lizenzen

Ann-Katrin Häuser, [email protected], Universität Osnabrück

Zusammenfassung

Da die Popularität von Open-Source Projekten in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist, sind auch Open-Source-Software Lizenzen heutzutage weit verbreitet. Insbesondere verwenden immer mehr deutsche und europäische Open-Source Projekte gängige Lizenzen wie die GNU General Public License (GNU GPL) oder die BSD-Lizenz. Diese Lizenzen stammen jedoch aus den Vereinigten Staaten und sind somit ursprünglich auf deren Rechtssystem zugeschnitten.

Im Folgenden soll daher geklärt werden, ob oder inwieweit die gebräuchlichen Open-Source-Software Lizenzen von deutschen und europäischen Gerichten anerkannt werden. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei auf die GNU GPL gelegt, welche bereits Streitpunkt mehrerer Verfahren in Deutschland war.

Inhalt

  • Vorgehen bei einem Lizenzverstoß
  • Urteile deutscher Gerichte
    • Welte vs. Sitecom Deutschland GmbH, 2004
    • Welte vs. Versatel, 2006
    • AVM vs. Cybits, 2011
  • Wichtige Personen und Institutionen
  • Rechtsprechung im restlichen Europa
  • Fazit
    • Bestehende Rechtsunsicherheiten

Vorgehen bei einem Lizenzverstoß

Wird entdeckt, dass ein Produkt, welches Open-Source Code verwendet, nicht konform mit dessen Lizenzbedingungen vertrieben wird, muss dem Verkäufer nach deutschem Recht zuerst eine Mahnung zugesandt werden. Dazu wird ein Brief aufgesetzt, der den entsprechenden Verstoß beschreibt und vom Anbieter verlangt, die Verbreitung des Produkts zu beenden, wenn er nicht bereit ist dies unter den entsprechenden Lizenzbedingungen zu tun. Meist bedeutet dies, dass das Produkt mit einer Kopie des Lizenztextes vertrieben wird und der Quellcode zugänglich ist. Im Falle der GPL betrifft dies auch alle Veränderungen oder Erweiterungen des Quellcodes durch den Anbieter (Jaeger 2010).

Des Weiteren besteht ein Anrecht auf Erstattung der Kosten des Mahnverfahrens. Diese umfassen sowohl die Kosten des Anwalts als auch einen ggf. getätigten Testkauf. In einigen Fällen kann auch ein Schadensanspruch geltend gemacht werden. Insbesondere bei duallizensierter Software lässt sich leicht kalkulieren welche Lizenzabgaben dem Urheber entgangen sind. Außerdem muss der Verkäufer ggf. Auskunft über den Auslieferer der Software sowie mögliche kommerzielle Kunden zur Verfügung stellen, um die Konformität der gesamten Distributionskette sicher zu stellen (Jaeger 2010).

Zeigt der Adressat des Mahnverfahrens keine Reaktion oder weigert sich die Verbreitung des Produkts entsprechend anzupassen bzw. einzustellen, erlaubt das deutsche Recht in dringenden Fällen eine vorläufige einstweilige Verfügung zu beantragen. In der Regel gilt hierbei eine dauerhafte Verletzung des Copyrights als dringend (Normann 2008). Gegen die Rechtmäßigkeit dieser Verfügung kann der Anbieter Einspruch einlegen, was zu einem Gerichtsverfahren führt.

Urteile deutscher Gerichte

Bisher befassten sich deutsche Gerichte ausschließlich mit den Lizenzbedingungen der GNU GPL. Zu dieser hat es bereits mehrere Verfahren gegeben ("IfrOSS" 2014). Zu Beachten ist, dass es sich bei einer Klage im Zusammenhang mit dem Verstoß gegen eine Open-Source Lizenz, um eine Klage gegen Urheberrechtsverletzung handelt. Diese kann nach deutschem Recht ausschließlich vom Urheber oder einem gesetzlichen Vertreter dessen geführt werden ("Internetrecht" 2014). Der Kläger muss also in angemessenem Maße an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen sein.

Welte vs. Sitecom Deutschland GmbH, 2004

Das erste Gerichtsverfahren zur Durchsetzung der GPL in Deutschland bzw. Europa wurde 2004 am Landgericht München geführt. Während diesem wurde eine einstweilige Verfügung zum Verbot einer Firmware bestätigt, welche GPL-lizensierte Software enthielt und ohne Hinweis auf diese verbreitet wurde (Jaeger 2010).

Geklagt hatte Harald Welte, "Mitglied des Open Source-Projekts 'netfilter/iptables' und als sog. 'Maintainer' Hauptverantwortlicher der Programmentwicklung" (LG München 2004). Die Software dient als Firewall für Linux und ist unter der GNU GPL lizensiert. Die Beklagte Firma Sitecom Deutschland GmbH, vertrieb unter anderem den Wireless Network Breitband Router 100g+ (WL-122). Die für diesen angebotene Firmware enthielt auch die Software "netfilter/iptables". Die Website, auf der die Firmware zum kostenlosen Download angeboten wurde, enthielt jedoch weder einen Hinweis, dass diese GPL-lizensierten Code enthält, "noch war ein Hinweis auf den Lizenztext der GPL oder den Sourcecode der Software 'netfilter/iptables' vorhanden" (LG München 2004).

Die schriftliche Urteilsbegründung zeigt, dass die Richter die Lizenzbedingungen der GPL anerkennen. Wichtige Aussagen hierbei sind, dass die GPL-Lizensierung eines Projektes keinen Verzicht auf das Urheberrecht darstellt. Stattdessen handelt es sich bei den Bedingungen der GPL um allgemeine Geschäftsbedingungen, die einen rechtmäßigen Rechterückfall im Falle einer Zuwiderhandlung vorsehen. Des Weiteren gelten diese trotz Verfassung in englischer Sprache zumindest für einen gewerblichen Anbieter (Jaeger 2010, LG München 2004).

Die Argumentation, dass die Klausel zum Rückfall sämtlicher Rechte, Abschnitt 4 der GPLv2, zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners führt und deshalb unwirksam ist, wurde abgewehrt. Da die Vertriebsrechte des Anbieters der Software nicht dauerhaft erlischen, sondern er diese sofort wieder erhält, sobald er bereit ist die Bedingungen der GPL einzuhalten, entsteht Diesem kein wirklicher Schaden. Des Weiteren werden auch Dritte, die die Software vom Anbieter erhalten haben, nicht benachteiligt, da deren Rechte nicht automatisch erlischen. So dürfen sie die Software unabhängig von den eigenen Erwerbsbedingungen weiterhin frei nutzen und unter GPL-konformen Bedingungen selbst verbreiten (LG München 2004).

Der Hohe Streitwert von 100.000€ wurde vom Gericht ebenfalls bestätigt. Die beklagte Partei hatte die Verfahrenskosten zu tragen. Außerdem stellte Welte kurze Zeit nach Urteilsverkündung fest, dass Sitecom einen weiteren Router (WL-111) mit einer Firmware, die GPL-lizensierte Software enthält, auf seiner Website anbietet. Daraufhin wurde eine Ordnungsgeld von 10.000€ wegen Verstoß gegen die einstweilige Verfügung beantragt ("Heise.de" 2004).

Welte vs. Versatel, 2006

In einer einstweiligen Verfügung vom 21.02.2006 bestätigte das Landgericht Berlin die Auffassungen der Münchener Richter. Beantragt hatte diese erneut Harald Welte, dessen Programme "netfilter/iptables" sowie "mtd" auf einem WLAN-Router der Firma Versatel verwendet wurden. Erneut stellte der zuständige Richter klar, dass GPL-Lizensierung keinen Verzicht auf das Urheberrecht darstellt (LG Berlin 2006).

Die Tatsache, dass die beklagte Partei den Router von einer anderen Firma bezog und selbst nicht informiert war, dass dieser GPL-lizensierte Software enthielt, war unerheblich. So spielt die Schuldfrage bei einer Unterlassungserklärung keine Rolle (LG Berlin 2006).

AVM vs. Cybits, 2011

Im November 2011 war die GPL Gegenstand eines Verfahrens der AVM Computersysteme Vertriebs GmbH gegen die Cybits AG. Der Fritzbox Hersteller versuchte urheberrechtliche Ansprüche geltend zu machen, um den Vertrieb der Jugendschutzsoftware "Surf-Sitter" zu verbieten, welche Veränderungen an der Firmware verschiedener Fritzbox-Modelle vornimmt ("Heise.de" 2006).

Das Gericht entschied, dass der klagenden Partei keine urheberrechtlichen Unterlassungsansprüche zustehen. "Bei der Firmware handelt es sich um ein Sammelwerk im Sinne von § 4 Abs. 1 UrhG. [] Teil dieses Sammelwerkes ist der so genannte Kernel, der auf dem Linux-Betriebssystem basiert und der als so genannte Open-Source-Software den Bedingungen der GNU General Public License (GPL), Version 2, unterliegt. [] Für Sammelwerke bestimmt § 2 GPL, dass Werke, die Open Source Software enthalten, als ganzes den Bedingungen der GPL unterliegen." (LG Berlin 2011) Daraus ergibt sich, das auch Dritte, z.B. die Cybits AG, die Firmware verändern und diese Änderungen verbreiten dürfen.

Wichtige Personen und Institutionen

Es gibt einzelne Personen und Institutionen, welche die rechtliche Durchsetzung von Open-Source-Software Lizenzen maßgeblich vorantreiben. Hierzu gehört Harald Welte, der 2004 die erste sowie zahlreiche weitere Klagen gegen Firmen wegen GPL-Verletzungen initiierte. Außerdem gründete er das Projekt gpl-violations.org, im Rahmen dessen GPL-Verstöße gesammelt sowie erfolgreiche Mahn- und Gerichtsverfahren dokumentiert werden ("Gpl-violations.org" 2014).

Des Weiteren ist das Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) zu nennen. Dieses wurde Anfang 2000 von den Juristen Till Jaeger und Axel Metzger gegründet und bemüht sich um die Aufklärung von Rechtsfragen bezüglich Open Source und Open Content. Das Institut förderte 2002 außerdem die Aufnahme der so genannten Linux-Klausel in das deutsche Urheberrecht-Gesetz ("Wikipedia: ifrOSS" 2014). "Der Urheber kann aber unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht für jedermann einräumen." (§ 32 Angemessene Vergütung des UrhG, Absatz 3 Satz 3)

Rechtsprechung im restlichen Europa

In Frankreich wurde die Gültigkeit der GPL im September 2009 auch vor Gericht bestätigt. Ein Anwender verklagte erfolgreich eine Firma, den Quelltext einer GPL-lizensierten Software preiszugeben. "Besonders ist der Fall auch deshalb, weil nicht wie meist üblich die Entwickler der Software, sondern ein Anwender gegen den Lizenzverstoß geklagt hat" ("Golem.de").

Im restlichen Europa gab es bisher nur wenige Prozesse im Zusammenhang mit Open-Source-Lizenzen. Es wurden jedoch in diversen Ländern schon außergerichtliche Verhandlungen geführt. So erzielte das gpl-violations.org-Projekt bezüglich der Einhaltung der GPL-Lizenzbedingungen bereits außergerichtliche Einigungen in Slowenien, den Niederlanden, Schweden, Frankreich, Österreich und Großbritannien (Jaeger 2010). Außerdem betreffen einige Urteile deutscher Gerichte auch ausländische Firmen. Dies gilt z.B. für den Prozess von Harald Welte gegen Skype Technologies S.A., eine luxemburgische Firma, die auch in Deutschland operierte (LG München 2007).

Fazit

Gerichtsurteile aus Deutschland und Frankreich zeigen, dass die Bedingungen von Open-Source-Software-Lizenzen in diesen Ländern grundsätzlich als rechtskräftig anerkannt werden. Die außergerichtlichen Einigungen in anderen Ländern der europäischen Union lassen außerdem darauf schließen, dass OSS-Lizenzen dort von Fachleuten ebenfalls als rechtskräftig eingestuft werden. Entwickler von Open-Source Projekten dürfen also davon ausgehen, dass sie ihre Ansprüche bzw. die Wahrung der Lizenzbedingungen ggf. auch innerhalb Europas vor Gericht geltend machen können.

Des Weiteren zeigt die Entscheidung aus Frankreich, dass nicht nur Urheber sondern auch Anwender erfolgreich gegen Lizenzverstöße klagen können. Diese bestätigte das auch Dritte vor Gericht Ansprüche geltend machen können, um z.B. Einsicht in die Veränderungen GPL-lizensierten Codes zu nehmen.

Bestehende Rechtsunsicherheiten

Im Einzelnen bestehen jedoch weiterhin Rechtsunsicherheiten. Dies gilt z.B. für den genauen Umfang des "Copyleft" bei GPL-lizensierter Software. Bisher gab es kein Gerichtsverfahren, dass sich mit dem Thema auseinander gesetzt hat. So stellt sich die Frage, was genau als "derivative work" zählt und unter den Bedingungen der GPL verbreitet werden muss bzw. was als unabhängige Software klassifiziert wird. Dies sorgt möglicherweise dafür, dass einige Parteien bisher von Klagen absehen (Jaeger 2010).

Referenzen:

"Golem.de", 24.09.2009. Französisches Gericht bestätigt die GPL. URL: http://www.golem.de/0909/70042.html, abgerufen am 28.3.2014

"Gpl-violations.org" (2014) The gpl-violations.org project? URL: http://gpl-violations.org/, abgerufen am 28.3.2014

"Heise.de", 23.07.2004. Deutsches Gericht bestätigt Wirksamkeit der GPL. URL: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Deutsches-Gericht-bestaetigt-Wirksamkeit-der-GPL-101616.html, abgerufen am 28.3.2014

"Heise.de", 05.12.2011. AVM vs. Cybits: Gericht stärkt GPL. URL: http://www.heise.de/open/meldung/AVM-vs-Cybits-Gericht-staerkt-GPL-1389738.html, abgerufen am 28.3.2014

"IfrOSS: Urteile" (2014). v. Urteile. In:ifrOSS.org URL: http://www.ifross.org/v-urteile, abgerufen am 28.3.2014

"Internetrecht" (2014). Rechtsfragen beim Einsatz von Open Source Software. In:Internetrecht-Rostock URL: http://www.internetrecht-rostock.de/open-source-recht.htm, abgerufen am 28.3.2014

Jaeger T. (2010) Enforcement of the GNU GPL in Germany and Europe. jipitec, Vol. 1. URL: https://www.jipitec.eu/issues/jipitec-1-1-2010/2419, abgerufen am 28.3.2014

LG Berlin, 21.02.2006, Az. 16 O 134/06. Welte vs. Versatel. URL: http://www.ifross.org/Fremdartikel/LG%20Berlin%20GPL-Entscheidung21.2.06.pdf, abgerufen am 28.3.2014

LG Berlin,08.11.2011, Az. 16 O 255/10. AVM vs. Cybits. URL: http://www.ifross.org/sites/default/files/LG%20Berlin%20AVM%20v%20Cybits_0.pdf, abgerufen am 28.3.2014

LG München I, 19.05.2004, Az. 21 O 6123/04. Welte vs. Sitecom Deutschland GmbH. URL: http://www.jbb.de/fileadmin/download/urteil_lg_muenchen_gpl.pdf, abgerufen am 28.3.2014

LG München I, 12.07.2007, Az. 7 O 5245/07. Welte vs. Skype Technologies S.A. URL: http://www.ifross.org/Fremdartikel/LGMuenchenUrteil.pdf, abgerufen am 28.3.2014

Nordemann, A. in Fromm/Nordemann (2008) Urheberrecht. 10. Edition, UrhG § 97, Rn. 202.

"Wikipedia: ifrOSS" (2014). Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software. In:de.Wikipedia.org URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Institut_f%C3%BCr_Rechtsfragen_der_Freien_und_Open_Source_Software, abgerufen am 28.3.2014